Sankt Christophorus, im landläufigen Verständnis der Schutzheilige der Reisenden, wacht seit 1964 an Schussenbrücke in Kehlen. Die Skulptur aus weißem Muschelkalkstein wurde von dem Lindauer Künstler Hermann Gierer geschaffen und am 22. November 1964 eingeweiht.
Geschichte
Seine Existenz verdankt das Werk den Initiatoren Pfarrer Joachim Guntram (1931 – 2014) und Bürgermeister Karl Brugger (1920 – 2008), prägenden Persönlichkeiten in der damaligen Gemeinde Kehlen. An der Brücke platziert, wollten sie es als verbindende Symbolfigur in mehrfacher Hinsicht verstanden wissen. Zum einen konkret, als Brücke zwischen dem alten Dorfkern von Kehlen und dem geplanten, neu entstehenden Gemeindezentrum südlich der Schussen. Zum andern im symbolischen Sinn: als lebende Brücke zwischen den Menschen untereinander, aber auch zwischen dem Irdischen und dem Himmlischen. „Die Heiligenfigur will sich den Menschen aus der Gemeinde nicht aufdrängen, die am Angelpunkt gemeindlichen Lebens vorbeiwandern oder -fahren. Aber der Standort ist so gewählt, dass man ihn trotz Hast nicht übersehen kann.” (Karl Brugger in „Heimatchronik”)
Kulturinvestition versus unmittelbarer Nutzen
Der Weg von der Idee des Denkmals bis zu seiner Einweihung war nicht ohne Hürden. Die Frage, ob man für Kunst im öffentlichen Raum Geld aufbringe oder es besser für einen Zweck einsetze, der einen erkennbaren materiellen Gegenwert bringe oder einen direkten Nutzen zeige, bewegte die Gemüter der Bürger und der Gemeindeleitung. Schlussendlich fiel die Entscheidung zu Gunsten der Kulturinvestition aus. Beachtlich: Die Bürger der Gemeinde beteiligten sich an der Realisierung ganz wesentlich. Von den 8.000 DM Kosten wurden rund 5.000 DM durch Spenden aufgebracht, die restlichen circa 3.000 DM trug die Gemeinde.
Der Bildhauer Hermann Gierer (1931–2006)
Er schuf Plastiken, Skulpturen und Reliefs aus den Werkstoffen Stein, Beton, Holz, Metall und Mosaik mit weltlichen und sakralen Motiven. In Oberschwaben und Bayern war er bekannt und mit mehreren regionalen Kunstpreisen ausgezeichnet worden. Sein Thema war das Wechselspiel von festem Material und fließender Bewegung in der künstlerischen Form. „Fließendes und Bewegung in die Skulpturen einbringen, das heisst Rhythmus, Dynamik, auch Geist und Gefühl spürbar, ahnbar machen … In den Bildwerken aus Stein und Bronze soll ein wesensgemäßes Streben nach Harmonie in vereinfachter Figürlichkeit … zum Audruck kommen … Das heißt zuerst auch geistige Auseinandersetzung mit der gestellten Aufgabe.” (www.hermanngierer.de). Oder wie die Schwäbische Zeitung im Nachruf schrieb: „ … Hermann Gierer erhob Steine zur Kunst.” (SZ TT, März 2006)
Sankt Christophorus zeugt davon: Die Figur in weichen und fließenden Bewegungen scheint sich aus dem hellen, naturbelassenen Stein herauszuschälen. Sie ist Vergeistigung und bleibt doch Stein.
Heute
Der starke Verkehr an Pkws und Flugzeugen ist an dem Kunstwerk nicht spurlos vorübergegangen, wie sich an der Abgaspatina und Verwitterung des eigentlich beigefarbenen Muschelkalksteins unschwer erkennen lässt. Dennoch hat Sankt Christophorus nichts von seiner Ausstrahlung verloren. Man mag ihm seine Aufmerksamkeit schenken oder auch nicht – im Auftrag seiner Gründerväter wird er hier hoffentlich noch lange daran erinnern können, den Glauben auch in unserer Zeit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und die Menschen in der Gemeinde im harmonischen Zusammenleben zu verbinden.
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(Von Karin Brugger, Kehlen.)
→ Weiterlesen: 50 Jahre Sankt Christophorus an der Schussenbrücke in Kehlen, Hrsg.: Karin Brugger, 2014 (hier erhältlich)