„Es war einfach nur schön.“

Es war einfach nur schoen BIld
Das Bahnwärterhaus, als die Familie Heppeler darin wohnte. Blick von gegenüber der Bahngleise. Ölgemälde, 1941.

„Die Zeit des Wohnens in diesem Häuschen war noch ‘ne ganz andere. Stell Dir vor, wir sind im Mai 1935 dort eingezogen. Hatten ein eigenes Häuschen in freier Natur. Dazu zählte noch eine ziemlich große Scheune. Wir hatten Hühner, Hasen und Schweine. Und eine große Obstanlage und ein großer Nussbaum war auch dabei. Große Äcker für Kartoffeln usw., die Max von Bruggers immer pflügen musste. Also einfach wunderbar. Wo gab es zu dieser Zeit so etwas? Wir kannten ja den Wohlstand, wie wir ihn heute größtenteil kennen, überhaupt nicht. Man fühlte sich in diesem Häuschen einfach pudelwohl. Die Zimmer waren zwar klein, man konnte sich aber so einrichten mit kleineren Möbeln. Es waren insgesamt 6 Zimmer im gesamten Haus. Man kam sich überhaupt nicht beengt vor. Wenn ich daran denke, wieviel Verwandtenbesuch mit längerem Aufenthalt wir all die Jahre hatten! Alle wollten Sie zu ihrer Schwester oder Tante oder zum Onkel nach Kehlen. Dann die vielen Blumen, die ums Haus wuchsen, die angrenzenden Wiesen und Bäume. Es war einfach nur schön.”

Günther Heppeler, Meckenbeuren, im Gespräch mit Karin Brugger, September 2018

Es war einfach nur schoen Familie
Bahnübergang Kehlen, um 1940. Die Bahnwärterfamilie Heppeler mit Verwandtenbesuch vor dem 1937 eröffneten Bahnhofsgebäude. Im Hintergrund das Bahnwärterhaus.

Was Günther Heppeler noch  aus früheren Zeiten erzählte:

→ Dass der Keller des Hauses während des Krieges bei Fliegeralarm der Familie und einer Nachbarin als Luftschutzkeller diente. Eine vollwertige Unterkellerung war damals außergewöhnlich. Die meisten umliegenden Höfe hatten nur „Kartoffelkeller” mit niedrigen Decken und Lehmböden.

→ Dass im Gewölbekeller, der richtig massiv und stabil aus Backsteinen gebaut ist, immer die Mostfässer lagerten. 

→ Dass die Eisenbahn ungefähr im Stundentakt fuhr, direkt vor dem Häuschen Halt machte und die Dampflock beim Anfahren einen Höllenlärm verursachte, so dass jedesmal die Gläser im Schrank klirrten. Man gewöhnte sich jedoch daran. Die Freude am eigenen Häuschen mit der Möglichkeit zur annähernd vollständigen Selbstversorgung konnte das jedenfalls in keiner Weise trüben.

→ Dass der Vater einen neuen „Geschäftszweig“ eröffnete. Er führte ein, dass die Bauern ihr Obst, Gemüse und Getreide von Kehlen aus mit der Eisenbahn verschicken konnten. Bei der Abwicklung dazu half dann auch die Mutter kräftig mit.

→ Dass die „Abwasserentsorgung“ kurze Wege nahm: nämlich über die direkte Ausleitung durch Rohre und durch händisches Ausschöpfen des Güllebehälters auf die angrenzende Wiese vom Langegger.

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Günther Heppeler geboren 1928, ist das mittlere von 3 Kindern der Familie Heppeler. Vater Josef Heppeler (1893 bis 1971) zog im Jahr 1935 mit seiner Familie nach Kehlen, um dort den Posten des „Weichenwärters“ zu übernehmen. Die 5-köpfige Familie bewohnte das Bahnwärterhaus von 1935 bis ca. 1947, bis der Vater in Pension ging.

Auf Josef Heppeler folgten weitere Schrankenwärter, die später jedoch nicht mehr im Bahnwärterhaus, sondern irgendwo in der Gemeinde wohnten. Als im Jahr 1984 die Bahnstation Kehlen auf vollelektronischen Betrieb umgestellt wurde, wurde der letzte Schrankenwärter überflüssig – nicht ohne einen gewissen Wehmut der Nachbarn und Passanten, für die das Schwätzchen an der Bahnstation zum Tagesablauf gehört hatte.

 


(Von Karin Brugger)